gfi gfi
Parcours:



Holzmeister und Trenker, Architekten in Bozen und das Kraftwerk Kardaun.
Holzmeister-Biograph und Professor für Gestaltung an der Universität Linz, Willfried Posch, analysiert anhand eines in der Wiener Albertina verwahrten Entwurfs für den Bau des Kraftwerks von Kardaun die Beziehung von Architekt Clemes Holzmeisters zu Südtirol. Nachzulesen im Buch "Megawatt und Widerstand" (Kuratorium f. technische Kulturgüter), Athesia-Verlag 2004.
Was führte den Nordtiroler mit dem Südtiroler zusammen? Clemens Holzmeister wurde sechs Jahre vor Luis Trenker, im Jahre 1886 in Fulpmes im Stubaital, geboren; Luis kam 1892 in St. Ulrich im Grödnertal zur Welt. Luis besuchte die Volksschule in St. Ulrich, die dreiklassige Bürgerschule Josefinum und die zweijährige Bau- und Kunsthandwerkerschule in Bozen, danach von 1905 bis 1912 die k. k. Oberrealschule in Innsbruck. An dieser Schule maturierte im Jahre 1906 Clemens Holzmeister; sie besuchten also beide ein Jahr lang dieselbe Schule. Clemens und Luis lernten sich dort oder im Hause des Tessiner Unternehmers Domenikus Bridarolli kennen. Dieser hatte, als Einwanderer mit einer Kärntnerin verheiratet, in Innsbruck einen bedeutenden Wasserversorgungs- und Installationsbetrieb aufgebaut und es zu Reichtum und Ansehen gebracht. Er plante und baute in rund sechzig Gemeinden Tirols Hochdruckwasserleitungsanlagen und war auch auf allen Gebieten des Installationswesens tätig. Er führte ein offenes, sehr gastfreundliches Haus, in dem etliche Jahre Clemens Holzmeister verkehrte, der Bridarollis Tochter Judith verehrte. Auf irgendwelchen Wegen fand sich dort auch der junge Realschüler Luis Trenker ein, der ebenfalls an Judith Gefallen fand; diese entschied sich jedoch für Clemens, im Jänner 1913 wurde in Innsbruck-Wilten geheiratet. Ein Jahr davor, im Oktober 1912, war Luis seinem Freunde Clemens an die k. k. Technische Hochschule nach Wien gefolgt, um dort auch Architektur zu studieren. Im Jahre 1913 schloss Holzmeister sein Studium ab und bekam durch Professor Max Freiherr von Ferstel eine Assistentenstelle. Luis hatte also in Wien einen Freund, der ihm manchen guten Rat für das Studium geben konnte. Doch ist in diesem Zusammenhang noch ein Dritter zu nennen: Alfons Walde, aus Kitzbühel kommend, besuchte in Innsbruck von 1903 bis 1910 auch die Oberrealschule und begann danach ebenfalls an der Technischen Hochschule in Wien Architektur zu studieren. Trenker, Holzmeister und Walde, die beiden letzteren ab 1930 am Hahnenkamm durch ihre Berghäuser Nachbarn, blieben einander ihr Leben lang freundschaftlich verbunden und versuchten sich, immer wieder auch zu helfen, obwohl sie von Charakter, Temperament und Weltanschauung sehr verschieden waren.

Trenkers Weg über Wien und Graz zum Architekten
Im ersten Studienjahr (1912/13) hat Trenker an der TH Wien acht Prüfungen abgelegt. Im darauf folgenden Studienjahr (1913/14) übersiedelte er an die TH nach Graz. Diese Veränderung hängt möglicherweise mit folgenden Umständen zusammen: In den Matrikeln der TH Wien ist die Erfolgsspalte in zwei Fächern frei geblieben: Mathematik und Darstellende Geometrie. In den Grazer Matrikeln ist bei beiden Fächern vermerkt, dass die Frequenz der Vorlesungen an der TH Wien stattgefunden hat, die Prüfungen jedoch in Graz mit gutem Erfolg abgelegt worden sind. Bezüglich der Mathematikprüfung ist sogar von Graz aus in Wien angefragt worden. Der Rektor der TH Wien antwortete am 13. März 1914, dass gegen die Ablegung der Nachtragsprüfung aus Elemente der höheren Mathematik seitens des Studierenden Luis Trenker h. o. kein Anstand obwaltet. Außer diesen Prüfungen legte Trenker vier weitere Prüfungen ab, ehe er am 14. Juli 1914 seinen Austritt aus der Hochschule meldete. Am 28. Juni 1914 waren in Sarajevo der Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau erschossen worden. Die Monarchie schlitterte in den letzten großen Krieg.
Trenker wird Soldat. Er kämpft in Galizien und Kongresspolen, wird zum Reserveoffizier ausgebildet. Nach dem Kriegseintritt Italiens im Mai 1915 wird er an der Südfront im Sperrfort Verle auf der Hochfläche der Sieben Gemeinden eingesetzt. Er erlebt den Krieg in den Dolomiten, erleidet einen Schulterdurchschuss, wird schließlich Ausbilder in der Hochgebirgsschule, Oberleutnant und mehrfach ausgezeichnet und 1917 Platzkommandant von Cortina d'Ampezzo. Einen Studienurlaub benützt er, um an der TH Wien im Sommersemester 1918 und im Wintersemester 1918/19 neuerlich zu inskribieren und zwei weitere Prüfungen abzulegen.
Im November 1918 brechen Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich zusammen, der Vielvölkerstaat fällt auseinander. Deutsch-Österreich erklärt sich zum Bestandteil der Deutschen Republik, Südtirol fällt an das Königreich Italien. Über die Nachkriegswirren schreibt Trenker in seinen Lebenserinnerungen: "Ich hatte weder Beruf noch Aussicht auf Arbeit und Verdienst. Der Krieg hatte mich mitten aus meinem Studium gerissen. Wien war weit und die Verwirrung zu groß, als dass ich gleich an eine Fortsetzung der Studien hätte denken können. Als Bergführer und Skilehrer ließ sich auch kein Geld verdienen. Kein Tourist kam in diesen Jahren in unsere Gegend. So half ich dem Vater in der Werkstatt bei seiner Arbeit; denn soviel hatte ich doch gelernt, dass ich da und dort zugreifen konnte."
Trenker versuchte sich als Kaufmann, wo er mit viel Glück manches Abenteuer überstand, aber schließlich doch scheiterte. Erst im Sommersemester 1922 nimmt er wieder sein Studium an der TH Graz auf. Da es für Frontsoldaten, durch einen Erlass des Staatsamtes für Inneres und Unterricht in Wien vom Juli 1919, Studienerleichterungen gab, richtete Trenker An das Hohe Professorenkollegium der Technischen Hochschule in Graz am 03. Mai 1922 ein Gesuch. "Gefertigter bittet um die Kriegsteilnehmerbegünstigung und begründet seine Bitte folgendermaßen: Fünfjähriger Frontdienst, einmal verwundet, gefangen von den Italienern, Vater ebenfalls als Tiroler Standschütze eingerückt. Beim Zusammenbruche und der darauf folgenden italienischen Besetzung haben seine Eltern alles verloren. Die Mutter und sechs kleine Geschwister des Gesuchstellers bedürften dringender Hilfe, weil der Vater durch die Kriegsstrapazen erwerbsunfähig wurde. Über das Ärgste hinweg ist es dem Gefertigten nun möglich, seine Studien zu beenden. Die erste Staatsprüfung hat er bereits 1918 in Wien abgelegt. Es wird an das Hohe Kollegium nochmals die Bitte gerichtet, die Erleichterungen zu gewähren, schon auch dem Umstande Rechnung tragend, dass die Südtiroler an und für sich, ihrer deutschen Heimat beraubt, unter Italiens Herrschaft außerordentlich bitteren Lebensbedingungen ausgesetzt sind. Ergebenst gefertigter Luis Trenker."
Bei der Schilderung seiner familiären Verhältnisse griff Luis Trenker wie später oft bei seinen Filmen; zum Mittel der Überzeichnung. In der 1992 unter Mitwirkung seiner Söhne Florian und Ferdinand von Stefan König geschriebenen Trenker-Biografie ist über Luis Vater Jakob zu lesen, dass er wohlbehalten aus dem Kriege zurückgekehrt sei. Natürlich waren die Jahre nach 1918 für Jakob, der eine kleine Werkstätte für Vergoldung und Fassmalerei betrieb, wegen des kriegsbedingten Zusammenbruchs der Holzschnitzerei und des Kunsthandwerks im Grödnertal sehr schwierige, aber man hatte nicht alles verloren. Am merkwürdigsten in diesem Ansuchen ist die Behauptung, er habe die erste Staatsprüfung bereits 1918 in Wien abgelegt. Ob dies wider besseres Wissen oder im guten Glauben geschehen ist, kann nicht mehr geklärt werden. An der TH Wien ist diese Prüfung nicht nachweisbar. Am 06. Juni 1922 bekommt Luis Trenker vom Rektor der TH Graz den Bescheid: Das Professorenkollegium hat ihn seiner Sitzung am 01. Juni 1922 Ihnen in Würdigung der vorgebrachten Gründe die Studienerleichterungen als Kriegsteilnehmer zuerkannt: jedoch auch ausdrücklich die Wirksamkeitsdauer dieser Studienerleichterungen mit Ende Juli 1923 beschränkt.
Nur zwei Tage später macht Dekan Dr. Schüssler in den Matrikeln der TH Graz die Eintragung: "Herr Trenker Luis hat heute die I. Staatsprüfung an der Hochbauschule bestanden. Graz, 08. Juni 1922." Sollte Luis einen Monat davor nicht gewusst haben, dass er diese Prüfung erst machen musste?
Trenker studiert im Studienjahr 1922/23 zügig weiter, rund zwanzig Prüfungen sind noch abzulegen, wobei er meist mit "sehr gut" oder "gut", einige Male auch mit "vorzüglich" abschließt. Am 12. Juni 1923 besteht er fristgerecht die II. Staatsprüfung und ist damit diplomierter Ingenieur. Trenker blieb der TH Graz auch nach seinem Studienabschluss verbunden. So findet sich sein Name in der Liste der "Alten Herren", des "Akademischen Architekten-Vereines an der Technischen Hochschule in Graz" aus dem Jahre 1925.

Holzmeister und Trenker: Stufen zu Erfolg und Zusammenarbeit
Die Forschungen über das Atelier der beiden Freunde stützen sich vorerst weitgehend auf Sekundärquellen, wobei die Zeitangaben vielfach schwanken. Die Gründung ist um die Jahreswende 1923/24 anzusetzen, also unmittelbar nach dem Studienabschluss Trenkers in Graz. Das Büro war in einem Haus an der Nordostecke des Waltherplatzes im Herzen Bozens in bester Lage untergebracht. Trenker begann mit großem Eifer und großer Liebe zum Architektenberuf. Es gelang ihm sehr schnell, zu Aufträgen zu kommen. Da er bald auch größere Aufgaben übertragen bekam, bot er seinem Freund Clemens Holzmeister eine Partnerschaft an, die dieser freudig annahm.
Holzmeister hatte es in den Jahren davor weit gebracht und schon ein hohes Maß an Erfolg erreichen können. Seine bei Kriegsausbruch wiederentdeckte brasilianische Staatsbürgerschaft (sein Vater war von Tirol nach Brasilien und wieder zurück gewandert) verschonte ihn vor dem Militärdienst. Die sechs Jahre von 1912 bis 1919 als Assistent an der TH Wien nützte Holzmeister, um sich weiterzubilden. Nebenberuflich machte er sich durch mannigfache Tätigkeiten wie als Leiter der Bauberatungsstelle des Vereins "Deutsche Heimat" und das Veröffentlichen zeichnerischer Werke in den Kreisen der Wiener Künstlerschaft bekannt. Im Juni 1919 promovierte er zum Doktor der Technischen Wissenschaften. Danach ließ er sich im Juli 1919 in den Heimatverband der Gemeinde Fulpmes aufnehmen und wurde so österreichischer Staatsbürger.
Der Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie im November 1918 brachte für Wien die wohl größte Wende in seiner Geschichte. Aus der Reichshaupt- und Residenzstadt eines 53 Millionen Reiches wurde eine Stadt, deren politische und rechtliche Stellung im Staate Deutsch-Österreich unklar war, die das wirtschaftliche Hinterland verloren hatte und deren Handelsverbindungen abgeschnitten waren. Die rund zwei Millionen Einwohner Wiens, die nun fast ein Drittel der Bevölkerung der kleinen Republik ausmachten, waren von 1915 bis Mitte 1919 einer Blockade durch die Alliierten ausgesetzt. Dies führte auf dem Gebiete der Ernährung, der Energie (Kohle, Strom) und des Gesundheitszustandes der Bevölkerung, vor allem durch die Tuberkulose, zu einer Belastungsprobe auf Sein oder Nichtsein. Wien war zu einer sterbenden Stadt geworden.
Holzmeister zog es in seine Heimat zurück, obwohl sein Vertrag als Assistent im Oktober 1919 bis September 1921 verlängert worden war. Doch auch Tirol durchlebte durch die Abtrennung des südlichen Landesteils und die allgemeine wirtschaftliche Not unruhige Zeiten. Trotzdem sah er in Tirol eingebettet in seinen Familien- und Bekanntenkreis bessere Lebensmöglichkeiten als in Wien. Seine Anstellung an der Staatsgewerbeschule in Innsbruck, Abteilung Baufachschule, verdankte Holzmeister dem Vorschlag des Direktors Rudolf Schober, den er als Studienfreund von der Technischen Hochschule her kannte. Zunächst arbeitete er als Hilfslehrer auf Honorarbasis (ab Jahresbeginn), die Ernennung zum &wirklichen Lehrer für die bautechnischen Fächer erfolgte am 01. Mai 1920.
In dieser Zeit veranstaltete Holzmeister eine Ausstellung seiner Entwurfszeichnungen in der Galerie Unterberger in Innsbruck. Sie brachte ihm mehrfachen Erfolg. In der Zeitschrift "Der Architekt" erschien eine erste ausführliche Würdigung Holzmeisters aus der Feder von Dagobert Frey. Dieser hatte Architektur und Kunstgeschichte studiert, war seit 1913/14 Privatdozent für Architekturgeschichte an der TH Wien und kannte Holzmeister. Nach österreichischer Sitte titulierte er Holzmeister, der nun auf heimatlichem Boden nach den Wiener Lehrjahren wieder zu sich selbst gefunden habe, in seinem Aufsatz wegen seiner Lehrtätigkeit an der Staatsgewerbeschule bereits als Professor, obwohl ihm dieser Titel nicht zustand. Holzmeister verstehe es zwar, an die bodenständigen Bautypen anzuknüpfen, doch verwirkliche er ohne kleinliche Nachahmung neue Baugedanken. Frey beobachtete an ihm einen gewaltigen inneren Drang zur Monumentalität: "In dem er den traditionellen Baugedanken aus Alltäglichem heraushebt und ins Pathetisch-Heroische steigert, gibt er ihm neue, ureigene Form. Es ist jene resolute Kraft und Tiroler Eigenart, die an Egger-Lienz und Schönherr erinnert."
Der größte Erfolg Holzmeisters war jedoch, dass durch diese Ausstellung seine guten Beziehungen zum römisch-katholischen Klerus begründet wurden. Der Weihbischof von Brixen und Generalvikar von Vorarlberg, Dr. Sigismund Waitz, besuchte die Ausstellung und war von Holzmeisters Werken sehr beeindruckt. Waitz war einer der markantesten Kleriker der Ersten Republik. In Brixen geboren, war er ein kämpferischer Tiroler, der sich nach 1918 für die Erhaltung der Einheit des Landes Tirol einsetzte und damals in Rom die Teilung der Diözese Brixen mit Erfolg verhindern konnte. Er wurde am 21. April 1921 lediglich zum apostolischen Administrator von Innsbruck-Feldkirch ernannt.
Waitz hatte eine Beziehung zum Bauen. Nach 1900 war er gewählter Gemeinderat in Brixen und setze den Bau eines neuen Krankenhauses durch. Wie Holzmeister hatte er einen Bruder, der im Jesuitenorden tätig war. Holzmeisters Halbbruder Urban hatte es zum Professor an der Gregorianischen Universität in Rom gebracht und war ein bedeutender Bibelforscher. Waitz ließ Holzmeister 1920 zu sich rufen und bat ihn nach Batschuns bei Rankweil, wo er ein Problem sah. Dort hatte ein Baumeister begonnen, eine neugotische Kirche zu bauen. Holzmeister machte rasch einen Gegenentwurf, der das Wohlwollen des Bischofs fand und bekam so seinen ersten Auftrag von der Kirche, dem viele weitere folgen sollten.

Auf der anderen Seite förderten die Wiener Sozialdemokraten ganz entscheidend Holzmeisters Karriere. Die Gemeinde Wien schrieb im März 1921 einen Wettbewerb zur Erlangung von Plänen für eine Feuerbestattungsanlage auf dem Wiener Zentralfriedhofe aus. Holzmeister beteiligte sich an diesem Wettbewerb, errang aber nur einen dritten Preis. Damit trat für ihn dennoch eine Lebenswende ein. Seine Karriere zwischen Kunst und Politik nahm ihren Anfang.
Die römisch-katholische Kirche sah die Feuerbestattungsbewegung als Teil der durch den Liberalismus verstärkten Säkularisierungsbewegung an. Am 19. Mai 1866 erließ sie ein Verbot der Feuerbestattung und hielt daran bis zum II. Vatikanischen Konzil im Jahre 1964 fest. Die Leichenverbrennung wurde als heidnische Sitte bekämpft, die wiedereinzuführen ein Anliegen von Menschen zweifelhaften Charakters sei, die der freimaurerischen Sekte angehörten. Die Strafen bei Verstößen waren hart, sie reichten von der Verweigerung der Einsegnung bei Begräbnissen bis zur Exkommunikation. Der ausschlaggebende Mann bei der Entscheidung für Holzmeisters Beauftragung mit der Planung des Krematoriums war der amtsführende Stadtrat Franz Siegel, neben Bürgermeister Jakob Reumann der einflussreichste Politiker des "Roten Wien". Siegel setzte sich mit großer Umsicht in den Ausschüssen und im Gemeinderat für Holzmeister ein. Die Christlichsozialen und auch die Zentralvereinigung der Architekten wirkten gegen Holzmeister.

Die Sozialdemokraten feierten diesen Bau als großen Erfolg ihrer Kulturpolitik, ihres Kulturkampfes. Sie bemühten sich hier, über die Parteigrenzen hinweg, auch als Sachwalter des liberalen Erbes zu erscheinen und arbeiteten dabei in antiklerikaler Übereinstimmung mit den Gemeinderäten und Abgeordneten der Großdeutschen Volkspartei zusammen. Holzmeister wurde zwar einerseits durch diesen Bau und die heftigen Auseinandersetzungen bekannter, hatte andererseits aber auch Schwierigkeiten mit der katholischen Kirche, wobei sein Halbbruder Urban ihm mit einer entlastenden Stellungnahme der Gregorianischen Universität in Rom half. Auch mit Bischof Dr. Sigismund Waitz hatte Holzmeister diesbezügliche Gespräche geführt.
Er wurde mit seinem Werk um die Jahreswende 1922/23 der Öffentlichkeit in Wien, ja in ganz Österreich, schlagartig zum Begriff. Allgemein wurde er in den Zeitungen schon fast immer als "Professor" bezeichnet. So bemerkte das "Neue Wiener Tagblatt" im Jänner 1923, dass der Entwurf "von dem schon mehrmals in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Architekten Professor Dr. Clemens Holzmeister aus Innsbruck" stamme. War der Bau in einer Zeit so großer Not an sich schon etwas besonderes, so stieg das allgemeine Interesse durch die bis Juni 1923 dauernden, teilweise grotesken Versuche der Christlichsozialen in der Bundesregierung, den Betrieb des Krematoriums zu unterbinden, weiter an.
Wie sehr diese Frage auch Südtirol beschäftigt hat, zeigt ein Artikel über die Leichenverbrennung in der "Bozener Tageszeitung", im "Tiroler Volksblatt" vom März 1923, wo ausführlich auf die theologischen, philosophischen, politischen und technischen Hintergründe eingegangen wird. "Die Leichenverbrennung ist ein Kind der Revolution, des Kirchenhasses und der Freimaurerei. Sie hat mit Kulturfortschritt nichts zu tun, sondern bedeutet Rückkehr zu barbarischer Rohheit!" Für das Wiener Krematorium werden sogar die Kosten für den Bau und den Betrieb genannt, dass der planende Architekt ein katholischer Tiroler ist, wird jedoch nicht erwähnt. Wenige Wochen später sollte Holzmeister mit Luis Trenker in Bozen ein Atelier beziehen.
Leopold Speneder, Mitarbeiter von Prof. Josef Strzygowski am Kunsthistorischen Institut der Universität Wien, schrieb über den Hang zur bodenständigen Tradition im Wiener Bauen: "Das lebendige Gefühl für heimatliche Formen ist es auch, das Clemens Holzmeister das Wiener Krematorium mit gewaltigen Spitzbogenöffnungen ausstatten lässt. Er verwendet sie ganz gewiss nicht im historizistischen Sinne, dass heißt, mit der bewussten Absicht, die Gotik in symbolische Beziehung zu seinem eigenen Bau zu setzen, sondern er wendet den mächtigen Spitzbogen ausschließlich deshalb an, weil ihm die Ausdruckskraft dieses Motives in seiner Tiroler Heimat zum bleibenden Erlebnis geworden war." Speneder hat seinen Worten eine verblüffende Gegenüberstellung von zwei Bildern beigefügt: Das eine zeigt die berühmten Spitzbögen der Bozener Streitergasse, das andere den Spitzbogen des Eingangs ins Wiener Krematorium.
Vor diesem Hintergrunde wurde Clemens Holzmeister am 19. Jänner 1924 einstimmig "primo et unico loco" vom Professorenkollegium der Akademie der bildenden Künste in Wien zum Nachfolger von Friedrich Ohmann als Leiter einer Meisterschule für Architektur berufen. So übersiedelte Holzmeister mit dem Wintersemester 1924/25 von Innsbruck wieder nach Wien.

Doch zurück zum Atelier Holzmeister und Trenker in Bozen, das in diesen Monaten am Beginn seines Aufstiegs stand. Luis hatte also schon damals einen in der Öffentlichkeit recht gut bekannten Architekten als Partner an seiner Seite. Aber auch Trenker machte sich in Bozen und Südtirol bald einen Namen. Durch seine Verlobung mit Marlene von Pretz, die aus einer angesehen, wohlhabenden Bozener Kaufmannsfamilie stammte, durch seine Tätigkeit als Bergführer und ab 1924 als Schauspieler und Filmemacher kannte er viele Leute, die für das Erreichen von Bauaufträgen wichtig waren. Luis wollte die Aufträge besorgen und Clemens sollte entwerfen. Wie verankert Trenker in der Südtiroler Gesellschaft gewesen ist, zeigt eine Episode, die Leni Riefenstahl in ihren Erinnerungen über die erste Begegnung mit Trenker niederschrieb. Im Hotel Karersee in den Dolomiten führte sie Mitte 1924 ein kurzes Gespräch mit ihm. Nach der Verabschiedung, im Weggehen, rief sie ihm nach: "Wie kann ich sie brieflich erreichen?" Seine Antwort: "Trenker, Bozen, das genügt."

Atelier Holzmeister und Trenker, Bozen
Eine wichtige Quelle für das genauere Wissen über die Zusammenarbeit der beiden sind die Werkverzeichnisse von Clemens Holzmeister. Das erste erschien 1937 als Anhang einer Monografie, unter Mitarbeit von Josef Gregor, Bruno Grimschitz und Zeno Kosak. Es versuchte, alle Entwürfe und Bauten bis dahin zu erfassen und vermerkte bei einigen Südtiroler Planungen die "Mitarbeit von Architekt L. Trenker". Das zweite Werkverzeichnis entstand im Jahre 1976 als Teil der Dissertation "Clemens Holzmeister. Das architektonische Werk." von Monika Knofler, die dadurch zur Begründerin der Holzmeister-Forschung wurde. Sie hat, aufbauend auf das Verzeichnis von 1937 und in vielen Gesprächen durch Holzmeister unterstützt, erstmals alle Bestände an Plänen und Zeichnungen gesichtet und katalogisiert. Diese Arbeit fand Verwendung in der Autobiografie Holzmeisters, die ebenfalls 1976 veröffentlicht wurde. Durch Knofler bis 1981 ergänzt, hat dieses Werkverzeichnis Eingang in einen Ausstellungskatalog der Akademie der bildenden Künste in Wien gefunden und ist bis heute das wichtigste Nachschlagewerk, das auch für das Folgende herangezogen worden ist.
Das Atelier der beiden Freunde in Bozen war eine Weiterentwicklung gemeinsamen Strebens und Arbeitens, das schon 1915 eingesetzt hatte. Pläne für einen Umbau der Schlösser Hörtenberg (Bozen) und Krakofel (Brixen) entstanden also noch während des Krieges. Zwischen den Verzeichnissen von 1937 und 1981 gibt es geringfügige Unterschiede in der Nennung Trenkers. Es scheint für Holzmeister schon 1937 durch die große Zahl seiner Projekte schwer gewesen zu sein, eine klare Zuordnung zu treffen. Noch mehr trifft dies auf 1976 zu. Versucht man nun, nach seinem Werkverzeichnis für die Jahre 1915 bis 1927, eine Bilanz der Werke in Südtirol zu ziehen, so beansprucht Holzmeister für sich allein 19 Werke, dazu kommen 22 gemeinsam mit Luis Trenker. Die Kriterien, nach denen Holzmeister die Gemeinsamkeit festgestellt hat, sind nicht nachvollziehbar. Luis Trenker wiederum hat kein eigenes Werkverzeichnis hinterlassen, dürfte aber auch Planungen und Bauten ohne Holzmeister durchgeführt haben. So findet sich ein Projekt für die Volkswohnbau-Genossenschaft (Cooperativa Case popolari) in Oberau nicht im Werkverzeichnis Holzmeisters. Die Baupläne sind auch nur von "Ing. Luigi Trenker, Architetto et Ingegnere, Bolzano" gestempelt. Hier liegt also noch ein weites Feld für weitere Forschungen. In der Literatur wird bisher mit den wechselseitigen oder gemeinsamen Zuordnungen der Werke von Holzmeister und Trenker in Südtirol und Österreich sehr locker umgegangen, was vielleicht sogar der Wahrheit sehr nahe kommt. Leider gibt es aus dieser schweren Zeit auch bei den Bozener Behörden und in ihren Archiven nur wenige Quellen. So bemüht sich der Architekt Michael Scherer seit Jahren darum, aus kleinsten Mosaiksteinen das Entstehen der Siedlung "Klösterlegrund" zu erforschen.

Zu den bekanntesten gemeinsam ausgeführten Bauten gehören die Siedlung "Klösterlegrund" in Bozen (1924/25), die Wohnhäuser für Bahnbeamte in Auer (1925), der Erweiterungsbau des Hotels "Adler"in St. Ulrich (1925/26) wo heute neben dem Eingang eine Gedenktafel an Holzmeister und Trenker erinnert und der Ansitz "Pretz" in Bozen (1926/28). Dieses Haus gilt heute als das architekturgeschichtlich bedeutsamste Werk des Ateliers Holzmeister und Trenker. Der Auftrag hing natürlich mit Luis Verlobung mit Marlene von Pretz zusammen. Holzmeister 1937 über den Charakter dieses Hauses: "Unweit der Talferpromenade, versunken in Weingärten, umgeben von alten Herrensitzen. Gegen die Straße ist die offizielle Note angeschlagen, etwas abweisend nach außen wie die Bozener und ihre Häuser, gegen den Garten und nach innen öffnet sich das Haus beschaulich und ungebunden wie die Inwohner, wenn sie unter sich sind."
Zeno Abram schreibt im Jahre 1979 in einer sehr lesenswerten Abhandlung über die Frühe Moderne in Südtirol: "Noch 1909 baut der Baulöwe Albert Canal in Bozen seine Villa in der Runkelsteinerstraße, an der er von Barock bis Wiener Sezession alles zeigt. Zwanzig Jahre danach baut Clemens Holzmeister vis-á-vis die Villa von Pretz in der Art des Neuen Bauens, ornamentlos. Zwischen beiden Bauten, die sich gegenüberstehen, liegt jenes Kapitel der Tiroler Architekturgeschichte, das man überschreiben kann: Das Suchen nach einer zeitgemäßen Form, die der Bautradition der vergangenen Zeit verpflichtet ist."

Der Bozener Volksmund gab dem Ansitz aufgrund der Straßenansicht mit seiner offiziellen Note den Namen "Wüstenbahnhof". Für Abram ist er jener Bau, "der auf die beste Art die Qualität des Neuen Bauens dokumentiert". Holzmeister "sei so etwas wie ein Prophet in Südtirol" geworden. Seine Stimme werde "heute noch gehört". Aber leider werde das, was er in seiner Jugend gewollt habe, von seinen Epigonen falsch verstanden, seine zeitgemäß ausgerichtete Künstlerschaft "innerhalb der österreichischen Moderne ignoriert". Stattdessen huldige man einem "süßlichen, falschen Heimatstil".
Wilfried Posch