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Parcours:



Kulturevent Brenner - Lebendige Rastatte?
12.10.2005
Inhalt
Lebendige Rastatte?
Museumsideen
Kunstevents
Programm
Kino am Brenner
Zollhauser und Grenzareale
Am Bahnhof
Zeitzeugen berichten
Presseecho
Weitersurfen

KUNSTEVENTS


Das Thema Grenze wurde beim Brenner-Event vom 30.08. bis 01.09.2002 von einer internationalen Künstlerschar aufgegriffen. Den Installationen und Aktionen lagen die verschiedensten Assoziationen mit dem Begriff Grenze zu Grunde: von Rauch-Fahnen, die zum Himmel stinken, über Schießscharten bis zur Schubhaft.

fAHNENFLUCHt = Fahnentext / Textfahnen
In seiner Installation mit dem Namen "Der Stoff, aus dem die Fahnen sind" zeigte Matthias Schönweger aus Meran zum Auftakt der Veranstaltung, dass Grenzverschiebungen weitere Grenzverschiebungen bewirken und damit Kriege zur Folge haben. Zu diesem Zweck hatte er sich das Areal im unmittelbaren Blickfeld der italienischen Grenzerkabine ausgewählt. ´

Image "Während die zahlreich eingetroffenen Politiker am Brenner zwischen bröckelnden Fassaden noch über die Segnungen der aufgehobenen Schlagbäume und ihre eigene Schmugglervergangenheit schwadronierten, laborierte ein paar Meter weiter der Meraner Künstler Matthias Schönweger schon eifrig an der Demontage der Sonntagsreden. Im Schatten des "Fungo" (italienische Grenzabfertigung) leerte er seinen Rucksack mit Tirolensien, Peitschen und einem Haufen Kriegsspielzeug aus Plastik aus.
Rund um seinen Russenflohmarkt baute er kleine Elektrokocher auf, legte sich einen Messmantel um und segnete seine Soldaten mit reichlich Weihrauch. Danach verheizte er sie buchstäblich und unter grauenhaftem Gestank und ebenso süßen Heimatklängen von einem 60er-Jahre-Grammophon auf den heißen Herdplatte."
........................Heinrich Schwarzer, Kulturpublizist

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..während der Aktion
Schubhaft
"Im August 2000 bat mich die Arge-Schubhaft das Thema Schubhaft und das Anliegen der Menschen in Schubhaft künstlerisch zu thematisieren. Damit begann für mich eine intensive Zusammenarbeit mit der Arge-Schubhaft und den Menschen, die ich in der Schubhaft im Polizei-Gefangenenhaus Innsbruck besuchte. Seit dem 6. September 2001 besetze ich für Menschen in Schubhaft öffentliche Orte des Staates und installiere meine mobilen Transporter: Zelte, Plakate und ein Wohnmobil. Diese erkläre ich zu Schutzräumen vor Verfolgung, Vertreibung, Vergewaltigung, Ermordung, Haft, Zensur, Verschleppung, Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Ausweglosigkeit. Es sind flexible Schutzräume, die subversiv immer und überall einsatzbereit sind. Sie schleuse ich u.a. in "Niemandsländer" ein, in sogenannte Schnittstellen, die zwischen den Grenzen unterschiedlicher Systeme liegen. Diese bewusst gesetzten und erklärten Freiräume stehen den Gefängniszellen der Institutionen gegenüber." ... so der Künstler Franz Wassermann zu seinem Werk.
ImageDer Brenner als Staatsgrenze zwischen Italien und Österreich bildet eine solche Schnittstelle.
Im ehemaligen italienischen Zollhaus mit Blick auf das österreichische - beide Häuser sind seit der Absetzung der Grenzkontrollen innerhalb der europäischen Union zwar ohne Funktion, wohl aber gebaute Zeugen der wechselvollen Geschichte des Grenzortes - verkehrte Franz Wassermann innen und außen, schaffte symbolisch in den vormaligen Büros einen Schutzraum für Schubhäftlinge und setzte die Zollbeamten "an die Luft".
Für einige Tage wurden drei Schreibtische und weitere Fundstücke aus den Büroräumlichkeiten nach draußen gestellt und im Schutz des Hauses wurde eine Zeltstadt aus gebrauchten LKW-Planen errichtet. Dieses Material erinnerte an die Art und Weise wie Schubhäftlinge ins Land kommen. Eine Ironie der Realität war der Schriftzug "Willkommen im Olympia-Schigebiet", den Wassermann auf einer der ihm zur Verfügung gestellten Planen vorfand.

Aus Ghettoplastern dröhnten überlaut Interviews mit Betroffenen. Menschen, die in Schubhaft genommen werden, haben nichts verbrochen. Sie werden in ihrer Heimat politisch oder ihrer Religion wegen verfolgt oder haben aus einer wirtschaftlichen Katastrophe heraus ihr Land verlassen müssen. Ist man sich dieser Situation bewusst, erscheinen die Begriffe "Ehre", "Freiheit" und "Vaterland", die der Künstler auf den drei Schreibtischen im Freien angebracht hatte, provokant.

Schubhäftlinge haben das alles verloren. Zudem standen und stehen diese Wörter als Motto für kriegerische Auseinandersetzungen. Wassermann hatte diese drei "Slogans" von einem Denkmal vor der Universität Innsbruck abfotografiert.
Detailinformationen über das gesamte Projekt Schubhaft finden Sie unter http://www.mylivingroom.org
GRENZENLOS
Der in München lebende Ekkeland Götze führte mit seinem Werk "Grenzenlos" den Norden und den Süden zusammen. "Grenzenlos" ist Teil eines Terragrafie-Projekts, für das der Künstler Erde von verschiedenen Orten der Welt in einem grafischen Verfahren unter immer gleichen technischen Bedingungen auf Papier druckt - Götze will so ein vollständiges Abbild der Erde schaffen.

...was bleibt ist die Erinnerung

Image In der Grenzerkabine ("fungo") baute der Münchner Valentin Goderbauer seine Installation "was bleibt, ist die Erinnerung" auf. Für ihn war der Brenner auch in Zeiten, an denen dort noch Passkontrollen stattfanden, keine "richtige" Grenze, sondern eher eine Klimascheide, und zwar nicht nur im meteorologischen Sinn. In seiner Installation stellte Goderbauer Material zusammen, das im und um den "fungo" liegen geblieben ist: u.a. EURO-Kellen, gusseiserne Heizkörper in Schwarz-rot-gold und Badetücher in Grün-weiß-rot.

Er selbst zu seiner Installation
"Der Brenner war und ist ja für einen Deutschen, der in der Nähe von München lebt, der Grenzübergang schlechthin nach Italien. Nur habe ich ihn nie richtig als Grenze empfunden, wie zum Beispiel Kehl / Strassburg oder Grenzübertritte am Flughafen. Es fehlen irgendwie deutliche Eigenschaften. Kein breiter Fluss oder ein dicker Streifen Niemandsland mit Grenztürmen, keine plötzliche Änderung der Sprache... Für mich war und ist der Brenner eben mehr ein Tor zum Süden, zum Kurzurlaub in ein freundlicheres Klima und anders herum wieder der Übergang nach Hause, wo der Sommer dann auch schon zu Ende ist. Und tatsächlich hat es immer geregnet und war ein paar Grad kälter, wenn man den Brenner passiert hat und durch Österreich "geflogen" ist. So ist dieser Grenzübergang vom Gefühl her ein deutsch / italienischer. Wie gesagt, vom Gefühl her. In Österreich wird keine Pause gemacht, erst zum Café in Italien wird angehalten, wenn der Geschmack und das "Klima" stimmen. Daher verstehe ich den Brennerpass eher als Klimascheide (nicht nur meteorologisch), denn als Staatsgrenze".

Zu Valentin Goderbauers ironischer Installation im "Fungo" - wie die italienische Grenzerkabine mit ihrer weit auskragenden Überdachung im Volksmund genannt wird - schrieb Heinrich Schwazer in der "Neuen Südtiroler Tageszeitung":

"Er zeigte im "Fungo" eine Erinnerungsarbeit aus Heizradiatoren in den deutschen Nationalfarben und grünweißroten Badetüchern, die unterm Dach zum Trocknen ausgehängt waren. Botschaft: Österreich gab es in der bundesdeutschen Touristenperspektive nicht und am Brenner beginnt der Strand..."

LURX, "SADOBRE" UND "SCALINI 84 STUFEN"
ImageKünstler, die selbst in der Brennerregion leben, zeigten ihre Werke in einer Gemeinschaftsausstellung des Vereins LURX.

Der in Berlin lebende Südtiroler Toni Bernhart stellte eine akustische Performance mit dem Titel "Sadobre" vor. Ein Live-Teil und vorproduzierte Einspielungen flossen bei der Veranstaltung zusammen, um die "ortsspezifische Atmosphäre" des Brenner zu vermitteln.

Unweit des Grenzübergangs wurde von Peter Kaser und Hans Winkler der Kunstort "scalini 84 stufen" angelegt. Die beiden haben einen Wasserfall und eine ehemalige Bunkeranlage, deren Schießscharten auf den Brenner zielen, in ihr Projekt eingebaut, zu dem der Südtiroler Krimi-Autor Kurt Lanthaler seine literarische Installation 2001 beitrug.