Seite 5 von 5 Seilbahnen und Wintertourismus Impulsgeber für die Wirtschaft Die Bergregionen der Alpen waren bis zu Beginn des letzten Jahrhunderts arme Gegenden, in denen die meisten Menschen vor allem von den geringen Erträgen der kärglichen Land- und Viehwirtschaft lebten. Doch Not macht erfinderisch. Einfallsreiche Südtiroler hatten erkannt, dass nicht in der Bewirtschaftung, sondern im Fremdenverkehr durch die Ästhetisierung der Berglandschaft die Zukunft lag. Gleichzeitig ermöglichte die technische Entwicklung der Seilbahnen den bequemen und ökonomischen Material- und vor allem Personenverkehr von der Talsohle zu den Bergdörfern bzw. später zu den Bergstationen. Verkehrsmittel Seilbahn Für die Bergbevölkerung brachte der erste Bauboom (ab 1908) der Zweiseilbahnen eine große Erleichterung in der Anbindung an das Verkehrsnetz und Wirtschaftstreiben im Tal. Erst die Erschließung durch Straßen in den 60er Jahren haben die Seilbahnen zum Teil überflüssig gemacht. Doch zunächst war die Seilbahn ein für Menschen aller Altersgruppen leicht zugängliches und kostengünstiges Verkehrsmittel. Bis vor kurzem wurde aber auch Vieh mit der Seilbahn transportiert, z.B. vom Tschöggelberg zum Bozner Viehmarkt, das, wenn auch widerwillig, seinen Platz in der Seilbahnkabine fand. Das schildert der Maschinist Alfons Alber so: ((10.17 Min.)) "Die Viecher sind alle in einer Kiste gewesen in einer viereckigen. Die ist einen guten Meter breit gewesen und zwei Meter lang und da haben wir die Ochsen hineingetan. Vor der Station haben wir sie aufgelegt und angehängt, dass sie ja nicht raus sehen und nichts tun können und dann haben wir sie die Kabine hinten aufgemacht und dann ist so ein Blech gewesen hinten zum einhängen." Scikarosel Alta Badia
Pioniere waren es dann auch, die den Wintersport zu dem gemacht haben, was er heute ist, nämlich Wirtschaftsfaktor Nummer Eins im Alpenraum: Erich Kostner hat schon früh erkannt, dass ein Skigebiet ohne ein ausreichendes Netz von Aufstiegsanlagen wenig wert ist, auch wenn es im Herzstück der sagenumwobenen Dolomiten liegt. Er beschließt also kurz nach Ende des 2. Weltkrieges mit heimischem Kapital im oberen Gadertal ein zusammenhängendes System von Aufstiegsanlagen (Scikarosel Alta Badia) zu errichten. Dazu muss er aber die heimische Bevölkerung überzeugen: ((7.51 Min.))"Wie ich nach St. Kassian gekommen bin, da habe ich die Bevölkerung zusammenrufen lassen und habe die Frage gestellt: Wollt‘s ihr diese Einrichtungen gewinnen, ich garantiere euch bis zu Weihnachten mindestens drei Anlagen zu bauen und unter diesen Bedingungen waren sie sich natürlich von vorneherein bewusst, dass sie das wahrscheinlich auf anderem Wege nicht erreicht hätten, und deswegen waren sie vollständig einverstanden und wir sind losgestartet und haben das auch planmäßig durchgeführt. " 1966 hat Kostner sein Projekt mit der Erschließung des Piz La Illa abgeschlossen. Der Bau der Seilbahnen ist teuer. Vielen Gastwirten und Bauern zu teuer. Sie können das Kapital oft selbst nicht aufbringen. In den frühen 50er Jahren gibt es aber Beiträge von der Region, Verdienst des Karl Hölzl, wie Heinz Zeller berichtet: ((9.36 Min)) "Und gleichzeitig war es, ist es ihm gelungen mit der damaligen politischen Führung von der Region das durchzubringen, dass man für diese Bahnen auch erhebliche Beiträge erhalten kann, weil andererseits wäre es ja nie möglich gewesen für diese Bergbauern diese Bahnen zu bauen." Meran 2000
Nur wer ausreichendes Know-how besitzt und Visionär genug ist, kann es wagen, ein Skigebiet mit allen Infrastrukturen wie Strom- und Wasserleitungen, Straßen usw. aus dem Boden oder besser auf den Berg zu stampfen. Hans Trojer aus Algund wagt es. Seine Schlosserei und Schmiede hat sich seit 1947 auf den Bau von Seilbahnen spezialisiert. Trojer plant zusammen mit einer Bozner Baufirma und einem heimischen Gastwirt Meran 2000. Das Großprojekt wird Trojer zum Verhängnis. Wegen der Wirtschaftskrise müssen beide Partner aus dem Geschäft aussteigen. Nur: Trojer hat schon einen Großteil seines Kapitals in das Skigebiet investiert und kann nicht mehr zurück. Meran 2000 wird gebaut, kleiner als geplant allen Schwierigkeiten zum Trotz. Sebastian Albert Trojer erinnert sich: ((19.38Min.))"Entweder machen wir das Meran 2000 weiter oder wir lassen das alles - wir haben dazumal schon gehabt 550 Millionen investiert - oder lassen wir das alles fallen aber mit dem Fallen lassen wäre es gar nicht getan gewesen, wir hätten alles müssen abbauen, was wir aufgebaut haben. Man hat es dann soweit gebracht, dass wir alles abgezahlt hätten die Schulden. Dann ist es soweit gekommen, dass die einen Anschlag gemacht haben auf unsere Tragseile und dann haben sie uns natürlich wieder einen Rückschlag gegeben, wo wir wieder haben müssen von vorne wieder anfangen." Skiweltmeisterschaft in Gröden In Gröden entwickelt sich der Wintersport anders: Unternehmer von außen wie der aus Rovigo stammende Gianni Marzola lassen sich hier nieder. Marzola bewirtschaftet den Plan de Gralba und war lange Präsident des Konsortiums Dolomiti Superski. Großen Einfluss auf die Entwicklung des Tales üben sportliche Wettkämpfe aus. Mit der Alpinen Skiweltmeisterschaft 1970 kam der große Aufschwung. Erich Demetz schildert eindrucksvoll die Auswirkungen auf die Lebens- und Arbeitsweise der Menschen im Tal: ((16.15 Min.)) "Ja das war eine grundlegende Wandlung für das Tal, beispielsweise könnt ich sagen, ich war damals noch Skischulleiter vor der WM, das sind die Skilehrer im Januar noch heimgegangen und haben das Heu geführt und das Holz geführt, sehr viele Betriebe haben einfach zugetan im Januar, weil einfach niemand da war. Und nach der WM hat man eigentlich keine Betten mehr gefunden auch im Januar nicht, es hat kein Januarloch gegeben und nicht nur das, man hat auch die Rolls-Royce nicht mehr zählen können auch die Porsche. Diese ganzen Leute sind nach ein zwei Jahren wieder ausgefallen, weil denen war Gröden damals noch nicht und heute auch noch nicht gewachsen." Kunstschnee
Ohne Niederschläge kein Schnee, ohne Schnee kein Wintersport. Alle Aufstiegsanlagen müssen still stehen. Der wirtschaftliche Ruin für viele Betreiber. In den 70er Jahren kann sich das niemand vorstellen. Dann kommen sie aber doch, die schneearmen Winter. Erich Kastlunger aus St. Vigil hatte bereits eine Lösung. Er ließ die erste Scheekanone 1980 aus den USA importieren und damit seine Miara-Piste beschneien. Auch dies eine Pioniertat. Heute ist der Wintersport ohne künstliche Beschneiung unvorstellbar. Erich Kastlunger:
((22.10 Min.)) "Diese Idee stammt eigentlich auch von meiner Mutter. Denn als ich Student war habe ich Skikurs gemacht in St. Vigil und einmal zu Weihnachten war kein Schnee und dann sind wir doch Ski fahren gegangen und da hat sie gesagt“ wo geht ihr denn hin Ski fahren“ ja dort auf der Almwiese, dort sind 10 cm Reif und dort kann man Ski fahren mit Anfängern geht’s dort zum Ski fahren. Ja, da hat sie gesagt, das ist ein „Mords“ Glück, weil sie hat gesagt, ich kann mich erinnern, dass einmal im Winter überhaupt kein Schnee da war. Den ganzen Winter schönes Wetter und kein Schnee. Und das habe ich mir immer gemerkt und habe mir gedacht, dass kann noch mal passieren und ich kann mir nicht leisten eine Anlage oder mehrere Anlagen zu bauen, die im Winter still stehen. Das geht nicht." Drei große in Stüdtirol ansässige Unternehmen hat der heimische Wintersport hervorgebracht: Die Firmen Trojer, Hölzl und Leitner haben eine große Rolle bei der Entwicklung der Seilbahnen und Seilbahnproduktion gespielt. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, die Südtiroler Bergwelt für den Wintertourimus zu erschließen. Heute sind zwei von den drei Unternehmen weltweit führend: Die Firma Leitner aus Sterzing und Doppelmayer, mit der die Firma Hölzl aus Lana fusioniert hat. In den Alpen werden heute kaum mehr neue Trassen ausgeschrieben. Fast jeder Aussichtspunkt ist jetzt an das Verkehrsnetz Seilbahn angeschlossen, es gibt dort oben nichts mehr zu entdecken. Nur mehr zu bewahren: Die Natur, das Kapital der Alpen.
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