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Südtiroler Siedlungen im Dokumentationszentrum des Verbands der Südtiroler in Innsbruck
24.04.2024
Südtiroler Siedlungen im Dokumentationszentrum des Verbands der Südtiroler in der Gumppstrasse in Innsbruck präsentiert Der unverhoffte Fund von 1500 Plänen und rund 1000 historischen Fotos hat ein neues Licht auf die städtebauliche und architektonische Grosstat geworfen, als im Krieg zwischen 1939 und 1941 inmitten des Baustopps bei Material- und Arbeitskräftemangel zig-tausende von Wohnungen für die Südtiroler Optanten und Kanaltaler errichtet wurden. Witti Mitterer, die in einer Publikation des Kuratoriums für technische Kulturgüter die Südtiroler Siedlungen umfassend dokumentiert hat, begrüsst die Präsentation der zur Verfügung gestellten Unterlagen im neuen Dokumentationszentrum des Verbands der Südtiroler in der Gumppstrasse in Innsbruck. Das Zentrum ist am 21.April 24 feierlich seiner Bestimmung übergeben worden. Bei Dringlichkeitsstufe drei wurden erste Wohnanlagen in Telfs errichtet, wo sich ein wichtiger Standort der Rüstungsindustrie befand. Erprobt wurden in Telfs erste Typenpläne, die dann für viele andere Siedlungen verwendet wurden. Die Siedlungen erzählen die ganze Geschichte, die von Menschen gestaltet wurde. Auf der Erkundung der 47 Standorte von insgesamt 130 in Österreich, haben wir die Nachkommen getroffen, die über ihre verschüttete Herkunft berichtet haben. (Weitere Südtiroler Siedlungen befinden sich in Tschechien, Luxemburg, Deutschland und in der Bukowina). Die Quartiere liegen heute fast immer in einer Zentrumsnahen Toplage, auf der Sonnenseite, und sind gut erschlossen. Die Wahl des Bauplatzes ist für die Errichtung und den Betrieb der Anlage wichtig. Kein Wunder, dass heute der Marktwert pro Quadratmeter enorm gestiegen ist und die sogenannte Verdichtung oder das leistbare Wohnen den gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften Appetit auf mehr machen. Die von Gausiedlungsplaner Helmut Erdle gestalteten Lagepläne tragen die Handschrift von Theodor Fischer, dessen Schüler er war. Die Siedlungen stehen für landschaftsgebundenes, handwerkliches und regionales Bauen mit grosszügigen Freiräume, wo das kleinste Detail, von der Klopfstange, dem Sandkasten und der Bepflanzung bis zur Wegraumerschliessung, am Plan verortet war. Die Grünflächen waren nicht wie heute getrimmter Rasen. Gemüsegärten und die Kleintierhaltung trugen vielmehr wesentlich zur Selbstversorgung bei. Die Gemeinschaftsräume erleichterten die nachbarschaftlichen Kontakte. Die vielen Straßennamen mit Südtirol Bezug – oder in Klagenfurt- Kanaltaler Bezug, weisen auf die Erinnerungskultur in Österreich hin, die seit dem Krieg gepflegt wird. In den Interviews mit den Wohnungsbaugesellschaften kamen interessante aktuelle Details heraus, die unter anderem den Leerstand, ökologische oder Klimapositive und denkmalschützerische Massnahmen bei der Sanierung oder das Sozialgefüge fokussieren. So war der MigrantInnnenanteil in Vorarlberg 1995 nur 9% und 2022 fast 30%. In der Steiermark oder in Oberösterreich gibt es Mediatoren, in Salzburg Soziologen, die heute für ein gutes Miteinander sorgen. Tatsache ist, dass die Südtiroler Siedlungen uns heute, gerade in schwierigen Zeiten von Pandemien und Konflikten zeigen, dass die Wohntypologie vor allem in Verbindung mit dem Grünraum, der als erweitertes Wohnumfeld betrachtet wird, Flexibilität, Home- oder Co-Working und eine Harmonisierung von Stresssituationen möglich macht. Die Südtiroler Siedlungen haben nach wie vor ein sehr hohes Wohn-Potenzial, das auch für Neubauten beispielhaft ist. Das gesamte originale Planmaterial, die historischen Fotos und an die 3000 aktuellen Drohnen- und Bodenaufnahmen wurden dem Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum vom Kuratorium übergeben. Die Digitalisate werden auf einer eigenen Webseite abrufbar sein. Die Finanzierung hierfür steht allerdings noch aus. Die öffentliche Hand wird im Sinne des Gemeinwohls ersucht die Mittel bereitzustellen, da im Buch nur ein Bruchteil des Originalmaterials veröffentlicht werden konnte. Heimat verlieren, Heimat gewinnen ist immer an Grund und Boden gebunden, mit dem man sich identifiziert und wo man Wurzeln schlagen kann.