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Kuratorium für technische Kulturgüter hält in Marling die 31. Jahreshauptversammlung ab
05.06.2021
Neuer Wind in alten Mauern. Von der Seifenfabrik zum Kultlokal. Zahlreiche Mitglieder, Freunde und Partner des Kuratoriums haben mit Interesse an der Jahreshauptversammlung im Kult in Marling, teilgenommen. Der Schauplatz entsprach dem Leitmotiv 2021 des Kuratoriums „Altes bewahren, ohne sich Neuem zu verschliessen.

Wenn das Kuratorium in den letzten 30 Jahren mit ungewöhnlichen Projekten und Initiativen oft schwierige Phasen durchlebt hat, so soll jetzt Rückenwind von 2020 für weitere Aktionen mitgenommen und für neue Herausforderungen genutzt werden. Trotz der widrigen Umstände im abgelaufenen Corona-Jahr öffneten sich im wesentlichen zwei grosse Zeitfenster zum Zwischenhoch im Mai und im Oktober. Dies betraf die Eröffnung der Theodor Fischer-Ausstellung im Bahnhof Meran (sie ist am 31.12.2020 zu Ende gegangen) und die Jubiläumsfeier im September „30 Jahre Kuratorium“ bei der Kugel in Frangart mit der Präsentation der Festschrift „Meilensteine im Tal und im Gebirge“. Nach einstimmiger Genehmigung von Tätigkeitsbericht, Programmvorschau und Haushaltsbericht wurde der neue Vorstand gewählt. Ihm gehören an: Arthur Scheidle, Josef March, Gerd Staffler, Ezio Facchin, Ewald Moroder. Als Rechnungsrevisoren fungieren Franz Staffler, Stefan Moser, Fritz Ladurner und Giulio Lavoriero (Ersatz-Rechnungsprüfer). Präsident Scheidle unterstrich, dass in der nächsten „Legislatur“ weitere jüngere Kräfte in die Führungsspitze eingebaut werden sollen. Nicht mehr kandidiert haben Felix Ploner, der aktuell als Bürgermeister von Enneberg tätig ist, und der ehemalige Generaldirektor der Etschwerke Siegfried Tutzer, dem der Dank des Vorstandes für seine Tätigkeit als Rechnungsrevisor erging. Die Projekte, vielfach jahresübergreifend, zielen darauf ab neue Impulse zu setzen. Hier die von der Direktorin Witti Mitterer präsentierte Auswahl, die auch von den einzelnen Projektpartnern aktiv mitgetragen werden: Die Hängebrücke in Mauls. DieGrundpfeiler, die einer starken Erosion durch den Eisack ausgesetzt sind, werden vom Amt für Wasserschutzbauten saniert. Laut Heinrich Aukenthaler, Gemeindereferent von Freienfeld, wird in der Folge der Projektideen zu Revitalisierung der Bahnwärterhäuser der Brennerbahn ein einsturzgefährdetes Gebäude in Freienfald als Pilotprojekt saniert. Das Gesamt-Projekt „Albergo Diffuso“ mit neuen Ansätzen für den Radtourismus im Wipptal wird im Herbst in einer Ausstellung an der Universität Bozen in Zusammenarbeit mit dem Hotelier- und Gastwirteverband (HGV) gezeigt. In Ausarbeitung ist auch eine Begleitpublikation. Als Beitrag zur 150 Jahr-Feier der Pustertalbahn soll der Wassersturm in Welsberg im Herbst seiner Bestimmung übergeben werden.

In einer gemeinsamen Aktion von RFI, Land Südtirol, Gemeinde Franzensfeste, BBT und eine Unternehmer-Runde sollen Abbau, Transferierung und Wiederaufbau der Tragstruktur der Lok-Remise in Franzensfeste realisiert werden. Vorstandsmitglied und Bahntechniker Ezio Facchin hat um Unterstützung des Projekts geworben. Dringend notwendig sind der Bau eines Schutzdaches, um das Eisentragwerk vorübergehend zu lagern, sowie nach erfolgreicher Materialprüfung eine fundierte Vorstatik und ein Vorprojekt.

Voller Begeisterung hat Konrad Pamer vom Museum Hinterpasseier die Projektpartnerschaft mit dem Kuratorium begrüsst. Im Vorfeld des Schaukraftwerks Stieber, wo Energiegeschichte life erlebt werden kann, wurde die vielbeachtete Ausstellung des Kuratoriums „Megawatt und Widerstand“ neu inszeniert.

Fortgesetzt wird auch die von Journalist Gerd Staffler betreute Rai-Südtirol-Serie „Drehmomente, Meilensteine der Technik“ Themen der Doku-Filme waren 2020: Fühlende Prothesen, Medizintechnik aus Südtirol; Vom Hornschlitten zur Bachmannrodel; Pflanzenschutz im Wandel; Die Eiar -Sendestation in Gries; Laaser Marmor für Ground Zero, New York. Themen der neuen Serie 2021 sind: Theodor Fischer in Tirol. Architekt der Zeitenwende; 150 Jahre Pustertal Bahn; Hängebrücken im Wipptal; Bunker-Welten; Drusus in Bozen – Faschistische Gebäude im Wandel.

In Vorbereitung sind auch die Theodor Fischer-Ausstellungen mit gleichnamiger Publikation in Hall in Tirol (6.8 bis 4.9.2021) und im Herbst im Pavillon 333 in der Pinakothek der Moderne in München. Am 3. September findet im Adambräu in Innsbruck ein internationale besetztes Symposium statt, das die Zusammenführung und Aktualisierung des vorhanden Wissenstands über den grossen deutschen Architekten Fischer zum Ziel hat. Im Archiv für Bau. Kunst. Geschichte ist derzeit in einer neuen Adaptierung die Theodor-Fischer-Ausstellung bis zum 4. September 2021 zu sehen.

Tentative Liste für Technische Kulturgüter. Einsetzung eines wissenschaftlichen Beirates Schützenswerte Bauten im Rampenlicht werden vorgemerkt. Grundidee für Südtirols neue Tentative-List ist es, technische Kulturgüter von außergewöhnlichem Wert für die jetzt lebenden und künftigen Generationen zu bewahren. Das materielle Erbe, ungeschützte oder bereits geschützte, aber gefährdete Denkmale, soll Südtirol weit in seiner Bedeutung erfasst, als unersetzliches Erbe benannt und in die Südtiroler Tentative List, eine Vormerkliste, aufgenommen werden. Auf der Basis der Begutachtung durch den neuen wissenschaftlichen, international besetzten Beirat des Kuratoriums, wird entschieden, welche Objekte in die Liste eingetragen werden. Der Beirat, dem auch der Unesco-Vertreter Österreichs und ICOMOS-Experten Deutschlands angehören, wird im Juli 2021 seine erste konstituierende Sitzung halten

Weiterführung der stillen technischen Sammlungen sowie die Inventarisierung und Georeferenzierung. Auf der Grundlage der Gespräche zwischen Denkmalamt und den politischen Entscheidungsträgern (LR Kuenzer und LH Kompatscher) wird die Inventarisierung der Technischen Kulturgüter mit Schwerpunkt Bahnbauten erweitert. Das Denkmalamt will eine eigenes Format für die Inventarisierung bereit stellen, das jenem des Tiroler Kunstkataster entspricht. Die Objekte sollen georeferenziert beim Amt für Landschaftsplanung deponiert werden und allgemein abrufbar sein.

Betreffend Schaulager / Dokumentationszentrum für Ingenieurbauten und technischen Kulturgüter im Frachtenmagazin am BHF Bozen (Zwischennutzung) laufen die Bemühungen bei der Bahn um temporäre Bereitstellung des Magazins bezw. bei der STA um weitere Nutzung der Remise hinter der Talstation der Rittner Bahn

Medien-Aktion zur Rettung der historischen Girlaner Weinkeller. Das durch einen Wohnungsbau gefährdete Kulturgut der Keller ist in dieser Dichte und Form ein Unikat und muss unbedingt geschützt werden. Für Girlan sind die Keller ein noch nicht abschätzbares Potenzial für die Zukunft, das auch von Aussenstehenden wertgeschätzt wird. Das Kuratorium ist derzeit dabei, eine umfassende Dokumentation zu bearbeiten, die im August im Rahmen eines Kulturevents präsentiert werden soll. Die Bauaufnahmen von über 40 Kellern werden durch aktuelle Fotos des renommierten Architekturfotografen C. Lackner ergänzt. Die Publikation soll auch ein neues Bewusstsein für die Kellerkultur entwickeln.

30 Jahr-Feier des Kuratoriums. Am 19. September 20 hat das Kuratorium sein dreissigjähriges Bestehen bei der Kugel in Hochfrangart, dem Gründungsort, gefeiert. Gleichzeitig wurden die Statuten erneuert, um den Anforderungen des 3. Sektors gerecht zu werden. Zeitgleich erschien die Publikation „Technische Kulturgüter, Meilensteine im Tal und im Gebirge“ , eine Dokumentation der Ereignisse und Projekte des Vereins.

Trefferpläne. Am 30. September 20 wurden die Trefferpläne aus dem zweiten Weltkrieg in Form einer digitalen Dokumentation der öffentlichen Verwaltung übergeben. Die Trefferpläne sind im Zuge der Recherchen um die Negrelli-Halle am Bahnhof Bozen im Archiv des Klosters Muri Gries aufgefunden worden, wo die Luftschutzpolizei der deutschen Wehrmacht ihre Dienststelle hatte. Die Trefferpläne betreffen die Stadt Bozen und Teile der Peripherie.

Südtiroler Siedlungen von 1939 bis 2021. Vom Auslauf- zum Zukunftsmodell – neues Wohnen in Stadt- und Land

In Österreich wurden in den 1940er Jahren 117 Südtiroler Siedlungen für die zugezogenen Südtiroler (Optanten) gebaut. Die beispielhaften Bauten und Ensembles sind aus heutiger Sicht eine gelungene raumplanerische und architektonische Grossaktion, weil die Menschen, die aus unterschiedlichen Orten kommen, in Dorf- und Stadterweiterungsgebieten angesiedelt wurden. Die Typologie der Wohnform (Baumasse und Bauweise) erlaubte, dank des Grünraumbezugs und des Wohnumfeldes, eine angemessene, den Siedlern vertraute Lebens – und Wohnform zu pflegen. Die geplante Dokumentation sieht ein umfassendes Bautenglossar vor, das neben historischen Materialien auch den aktuellen Ist-Zustand zeigt. Erscheinung Dezember 2021

Der Wasserspeicher des Heizhauses der ehemaligen Grödnerbahn soll als orthodoxe Gedenkstätte für die russischen Kriegsgefangenen, die am beim Bau der Grödner Bahn ums Leben gekommen sind, adaptiert werden. Das Baudenkmal befindet sich auf der Parzelle des von Alperia geführten Klausner Fernheizwerks. Angrenzend an die Wände des baufälligen Wasserspeichers werden derzeit haushoch die Holzstämme aufgestapelt, was die Statik des Speichers stark beeinträchtigt. Beim Lokalaugenschein mit dem Landeshauptmann am kommenden 4. Juni sollen die Würfel fallen.

Projektideen für die Gestaltung des Nord- und Südportals des Brennerbasistunnels im räumlichen Kontext werden in Zusammenarbeit mit dem Institut für Baugeschichte der Universität Innsbruck bearbeitet. Abgabe der Projekte: Herbst 2021

Eineneue zweisprachige Webseite informiert benutzerfreundlich über die Kuratoriumsinitiativen. Eine monatliche Newsletter in beiden Sprachen unterstützt die Medienarbeit.

Zum Ausklang der Vollversammlung -anmoderiert von Gerd Staffler- hielt Architekt Werner Tscholl zum Thema „Verantwortlich Bauen“ einen vielbeachteten Vortrag, in dem er sich dem Fischer-Ruf Retournons a la nature! anschloss.

Ein besonderer Dank erging auch an den Gastgeber Arthur Eisenkeil, der das Kult mit vorbildlicher Führung zu einem regelrechten Kult-Lokal gemacht hat.

(Wittfrida Mitterer)